Immanuel Kant

Aktualisiert am 21.10. 2013

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Der Mensch als Zweck an sich, Die Würde des Menschen

Kant über Erziehung

 

 

 

 

Das Leben und Wirken des Immanuel Kant

Königsberg, den 9. Juli 1784. Ew. Wohlgeboren waren so gütig, der Beschwerde der Anwohner am Schloßgraben, wegen der stentorischen Andacht der Heuchler im Gefängnisse, abhelfen zu wollen. Ich denke nicht, daß sie zu klagen Ursache haben würden, als ob ihr Seelenheil Gefahr liefe, wenngleich ihre Stimme beim Singen dahin gemäßigt würde, daß sie sich selbst bei zugemachten Fenstern hören könnten (ohne auch selbst alsdann aus allen Kräften zu schreien). Das Zeugniß des Schützen, um welches es ihnen wohl eigentlich zu thun scheint, als ob sie sehr gottesfürchtige Leute wären, können sie dessenungeachtet doch bekommen; denn der wird sie schon hören, und im Grunde werden sie nur zu dem Tone herabgestimmt, mit dem sich die frommen Bürger unserer guten Stadt in ihren Häusern erweckt genug fühlen. Ein Wort an den Schützen, wenn Sie denselben zu sich rufen zu lassen und ihm Obiges zur beständigen Regel zu machen belieben wollen, wird diesem Unwesen auf immer abhelfen, und denjenigen einer Unannehmlichkeit überheben, dessen Ruhestand Sie mehrmalen zu befördern bemüht gewesen und der jederzeit mit der vollkommensten Hochachtung ist Ew. Wohlgeboren gehorsamster Diener I. Kant.

Was war geschehen? Immanuel Kant ist mittlerweile über 60 Jahre alt und hat sich erst jetzt, nach etlichen Umzügen im Jahre 1783 ein eigenes Haus leisten können. Nicht weit von diesem Haus am Schloßgraben (zeigen) lag das Stadtgefängnis, dessen Insassen zum Absingen geistlicher Lieder angehalten wurden, von denen man sich ihre Besserung erwartete.

Die Gefängnisinsassen erfüllten diesen Auftrag laut und voller Inbrunst, anscheinend auch deshalb, weil sie sich davon ein gutes Führungszeugnis vom zitierten ASchützen@, der anscheinend die Funktion des Gefängnisaufsehers innehatte, versprachen.

Kant wurde in seiner Ruhe von diesem Gesang so empfindlich gestört, dass er sich veranlasst sah, bei seinem Freund Hippel, dem ersten Bürgermeister der Stadt und Polizeidirektor vorstellig zu werden um den Gesang abstellen zu lassen.

Kant war immerhin schon mehrfach umgezogen, weil er in den vorigen Wohnungen jeweils keine Ruhe fand.

Einige Jahre zuvor war es der Hahn eines Nachbarn, der seine Arbeitsruhe regelmäßig störte: Was machte Kant? Er kaufte den Hahn um ihn für immer zum Schweigen zu bringen - jedoch der Nachbar bestand hartnäckig auf dem Fortleben des Hahns - und Kant wollte es sich anscheinend mit dem Nachbarn nicht verderben.

So halten wir einmal als erstes Fazit fest: Der Philosoph braucht seine Ruhe! Alles was die Ruhe seines Tagesablaufs störte, mußte beseitigt werden.

Und er braucht Beständigkeit: “Eine feste Burg ist unser Gott” heißt es in einem evangelischen Kirchenlied. Für Kant hätte es heißen müssen: “Eine feste Burg ist unser Trott”.

Damit beginne ich das erste Kapitel über den Namensgeber unserer Schule, der im Jahre 1724, vor fast 280 Jahren das Licht der Welt erblickt hat.

Also, erstes Kapitel: “Eine feste Burg ist unser Trott”

Kant mag keine Veränderungen. Kant will in seiner geistigen Arbeit nicht durch Veränderungen gestört werden. Am Spätnachmittag pflegte Kant bei seiner Lektüre, wenn langsam die Dämmerung hereinbrach, aus seinem Fenster auf den Löbenichtschen Kirchturm zu blicken. Auf diesem Turm konnte sein Auge ausruhen. Doch im Laufe der Zeit wuchsen die Pappeln seines Nachbarn Nicolovius so hoch, daß sie begannen den Kirchturm zu verdecken. Nicolovius erwies sich als besserer Nachbar als der mit dem Hahn. Auf Bitten Kants wurden die Pappeln gefällt.

Meinen wir aber nun nicht, Kant sei ein unangenehmer, Hähne mordender und Bäume fällender Griesgram gewesen. Sicher, Musik war nicht seine Sache, hier galt: Musik wird oft als Krach empfunden, weil sie mit Geräusch verbunden. Dennoch war Kant ein sehr geselliger und liebenswürdiger Mensch. Wir werden es sehen, wenn wir uns seinem stetigen Tagesablauf zuwenden: Eine feste Burg ist unser Trott!

Zuvor jedoch wollen wir einen kleinen Blick auf eine andere Burg Kants werfen, auf sein Haus , das er sich erst so spät leisten konnte. Wir wollen mal sehen, wie der große Meister so gewohnt hat, damit sein präziser Tagesablauf sich auch mit Bildern von Orten verbindet.

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Kants Schüler und Biograph, Reinhold Bernhard Jachmann, zu Lage und Aussicht:

“Kant besaß in den letzten siebzehn Jahren ein eignes Haus, das zwar mitten in der Stadt in der Nähe des Schlosses, aber in einer kleinen Nebenstraße lag, durch die selten ein Wagen fuhr. Das Haus selbst, welches acht Stuben in sich faßte, war für seine Lebensart bequem eingerichtet. Im untern Stock war auf dem einen Flügel sein Hörsaal, auf dem anderen die Wohnung seiner alten Köchin; im obern Stockwerk auf dem einen Flügel sein Eßsaal, seine Bibliothek und Schlafstube. Auf dem anderen sein Visitenzimmer und seine Studierstube. In einer kleinen Dachstube wohnte sein Bedienter. Die Studierstube lag nach Osten und hatte einen freie Aussicht über mehrere Gärten. Es war ein angenehmer Aufenthalt, wo der Denker ruhig und ungestört seinen Ideen nachhängen konnte. Er wäre mit seiner Studierstube noch mehr zufrieden gewesen, wenn er im Sommer öfterer die Fenster hätte öffnen können; aber daran hinderte ihn der unaufhörlich Gesang der Gefangenen in der nahegelegenen Schloßvogtei. Er beschwerte sich oft gegen Hippel über diesen geistigen Ausbruch der Langenweile, allein die Sache war nicht zu ändern.”

Haushaltung:

Sämtliche Angelegenheiten, die Instandsetzung und Wiederherstellung oder Umbau des Hauses betraf, übergab Kant in seinen letzten Lebensjahren vertrauensvoll an seinem ehemaligen Schüler und Freund, Wasianski, der sich stets pflichtbewußt um die ihm angetragene Aufgabe kümmerte.

Dies war insbesondere wichtig, als Kants langjähriger Diener Martin Lampe, geborener Würzburger und alter Soldat, mit fortschreitendem Alter begann, nachlässig zu werden und nicht mehr für die nötige Reinlichkeit sorgte. In dieser Zeit kam es schon mal vor, daß sich Wasianski, ohne Wissen Kants wie auch Lampes, um die Reinhaltung der Wohnung bemühte.

Eine Geschichte ist bekannt, nach der Kant die Fensterläden seiner Schlafstube niemals mehr öffnete, nachdem er sie eines Tages versehentlich während einer kleiner Reise offen ließ und den Raum bei der

Rückkehr voller Wanzen auffand. Er schloß daraus, daß die Tiere sich aufgrund des Lichts dort eingefunden hätten und unterband somit die Lichtzufuhr für die Zukunft. Der eigentliche Grund für das Auftauchen des Ungeziefers jedoch dürfte wohl auf die geringe Reinigung durch Diener Lampe zurückzuführen sein, die Wasianski nach diesem Vorfall insgeheim selbst in die Hand nahm.

Eine feste Burg ist unser Trott - Kommen wir zu Kants Tagesablauf!

Beginnen wir mit dem Angenehmen: von 13.00 bis 16.00 - geschlagene drei Stunden speiste Kant mit geladenen Freunden und Bekannten. Obgleich Kant, wie wir sahen eine Köchin angestellt hatte, verstand er selbst auch etwas vom Kochen und rührte sogar seinen Senf selbst an, der für ihn zu jeder Mahlzeit dazugehörte. Sein Freund Hippel drängte ihn gar, eine Kritik der Kochkunst zu schreiben.

Senfkant  

 

Bei diesen Essen war es strikt verboten, über philosophische Themen zu sprechen. Ansonsten wurde hier über alle Königsberger Neuigkeiten, über wirtschaftliche oder wissenschaftliche Ereignisse debattiert. Als in Frankreich die große Revolution ausbrach ging es natürlich hauptsächlich um politische Fragen. Kant verstand es, seine Gäste glänzend zu unterhalten.

Nach dem Essen, punkt 16 Uhr - andere Biographien sprechen von 19 h folgte ein Spaziergang.

Ob nun 16h oder 19h einig sind sich die Biographen darin, daß es immer die gleiche Zeit war, exakt die gleiche Zeit. Und immer der gleiche Weg. Die Bürger von Königsberg konnten ihre Uhren nach dem Vorbeikommen des Philosophen stellen.

Wichtig war es für Kant, auf diesem Weg nicht aufgehalten zu werden, er wollte auch nicht angesprochen werden und sich in ein Gespräch verstricken - das hätte seinen Zeitplan durcheinander gebracht. Schwitzen wollte er auch nicht - um Himmels willen nicht schwitzen. Also - nicht rennen - auf Kants Gesundheit kommen wir noch zu sprechen.

Wann arbeitet denn der Philosoph, bei solch ausgedehnten Speisen und Spaziergängen.-

Davor und danach: der Abend - bis um 22 Uhr war der Lektüre gewidmet. Ein Abendbrot gab es nicht. Kant speiste einmal am Tag, dafür aber ausführlich.

Ab 22 Uhr herrschte strickte Bettruhe. Kant hatte sich ein ausgeklügeltes System von Vorrichtungen zurecht gelegt - Riten die ein schnelles Einschafen begünstigten. Einen Nachttopf hatte er so an einer Schnur festgemacht, daß er diesen notfalls nachts auch in der Dunkelheit an sein Bett heranziehen konnte.

Um 4h45 erscholl der Ruf seines Dieners Lampe: Es ist Zeit! Lampe hatte strikte Anweisung, auch dann auf das Aufstehen des Philosophen zu drängen, wenn dieser gerne weitergeschlafen hätte. Um Punkt 5 trank Kant zwei Tassen Tee und rauchte eine Pfeife Tabak. Dann bereitete er seine Vorlesungen vor

Von 7h bis 9h morgens schließlich fanden seine Vorlesungen statt, nachdem er sein eigenes Haus hatte - in dem dafür vorgesehenen Hörsaal im Erdgeschoß.

Von 9.00 bis 12.45 schließlich fand Kant Zeit für seine Arbeiten an Veröffentlichungen. Hier ist also die Zeit, in der sein hauptsächliches Werk entstand, hier philosophierte der Philosoph!

Das hielt ihn nicht davon ab, gegen 12h45 hungrig zu werden. Er erwartete sehnsüchtig seine Gäste und war über Unpünktlichkeit recht ungehalten.

Mußte solch ein Tagesablauf nicht wie ein Zwang erscheinen? Nein, genau das nennt Kant ja sittliche Autonomie: den Gesetzen zu folgen, die das Subjekt sich selbst gegeben hat.

Vielmehr liegt in diesem Tagesablauf vermutlich das Geheimnis der philosophischen Schaffenskraft Kants. Stetigkeit. Eine feste Burg ist unser Trott. Steter Tropfen höhlt den Stein. Hier den Stein der Weisen. Kant hat ihn - in der Erkenntnistheorie gefunden. Im Jahre 1781 nach 11 Jahren, in denen Kant kein Buch veröffentlich hat, erscheint sein Hauptwerk, die “Kritik der reinen Vernunft” welche die bisherige Erkenntnisphilosophie revolutioniert.

Rückblende: Werfen wir einen kurzen Blick auf das bisherige Leben Kants. Bisher wissen wir nur, daß er 1724 geboren wurde, 1781 seine Kritik der reinen Vernunft veröffentlichte, 1783 sein Haus am Schlloßgraben kaufte und ein Jahr später versuchte, den Gesang des Gefangenenchores zu mäßigen. Ein bißchen genauer darf es aber doch sein, wenn ich auch möglichst auf die Angaben von Daten, die man sowieso wieder vergisst, verzichten möchte.

Lebenslauf

“Nie werde ich meier Mutter vergessen, denn sie pflanzte und nährte zuerst den Keim des Guten in mir, sie öffnete mein Herz den Eindrücken der Natur, sie weckte und erweiterte meine Begriffe, und ihre Lehren haben einen immerwährenden heilsamen Einfluß auf mein Leben gehabt”.

Kant hatte 10 Geschwister - 10 - Verhütung war damals ein Fremdwort. Außerdem war die Kindersterblichkeit so hoch, daß auch in der Familie Kant nur 5 der insgesamt 11 Kinder ein höheres Alter erreichten. Kant=s Vater war Riemermeister - er arbeitete also mit Leder. Er konnte seine Familie bescheiden ernähren, ohne je zu Reichtum zu kommen. Wieso aber verdankt Kant wohl mehr seiner Mutter als seinem Vater?

Anna Regina Kant hatte sich selbst ein wenig literarische Bildung angeeignet und Bekanntschaft mit einem in Königsberg hoch geachteten Prediger - später Theologieprofessor - geschlossen, dem Pfarrer Schulz. Diesem ist es zu verdanken, daß der kleine Emmanuel im Alter von 8 Jahren auf das von Schulz geleitete Collegium Fridericianum wechseln konnte und dort vor allem ein geschliffenes Latein lernte. Damit war eine wichtige Voraussetzung für eine akademische Laufbahn geschaffen, denn jeder angehende Doktor mußte seine Schriften in lateinischer Sprache “verteidigen” . Kant war natürlich über die ganze Zeit Klassenprimus.

Negativ erinnert sich Kant jedoch an den am Collegium Frederiacum ausgeübten religiösen Zwang. Jeder Tag an dieser Schule begann mit einer ausgedehnten gemeinsamen Andacht, jede Unterrichtsstunde begann und endete mit einem Gebet.

Später entwickelte sich bei Kant eine Abneigung gegen Gebet und Gottesdienst und er erinnerte sich mit Schrecken und Bangigkeit an diese Jugendsklaverei.

Kant ist 16 Jahre alt, als er auf die Universtität kommt. Er muß eine Aufnahmeprüfung machen, vergleichbar einem Abitur. Seine verstorbene Mutter hatte sich gewünscht, daß er Theologie studieren und evangelischer Pfarrer werden würde - dies verfolgt Kant aber nicht wirklich ernsthaft. Vielmehr kommt Kant hier erstmals mit den Wissenschaften in Kontakt, die am Collegium Frederiacum nicht gelehrt wurden: Philosophie, Mathematik, Naturwissenschaft.

Kant lebt bescheiden. Sein Vater unterstützt ihn in geringem Umfang: Es kam vor, daß Kant seine Bude nicht verlassen konnte, weil sein einziger Rock beschädigt war und zuvor beim Schneider geflickt werden mußte. Als Kants Vater stirbt, muß Immanuel die Universität verlassen und sich als Hauslehrer verdingen. Er ist jetzt 22 Jahre alt.

22 Jahre und schon Lehrer

Manche unserer Schüler sind heute über 20 Jahre, wenn sie mit dem Abitur das Kant-Gymnasium verlassen. Kant verlasst mit 22 die Universität, freilich ohne einen wirklichen Abschluß. Immerhin hat er aber schon eine erste kleine wissenschaftliche Arbeit verfasst:

Gedanken von der wahren Schätzung der lebendigen Kräfte. Darin geht es um einen Streit zwischen den Philosophen Décartes und Leibniz und Kant versucht einen Vermittlungsversuch. Freilich bleibt diese Arbeit ein wenig stümperhaft - Kant ist eben erst 22 Jahre alt.

In drei verschiedenen Familien wird er nacheinander Hauslehrer - insgesamt 11 Jahre lang, von denen wir nicht viel wissen. Immerhin, typisch Kant: er hat es geschafft, sich bei allen drei Stellen nicht weit von seiner Heimatstadt Königsberg zu entfernen.

Gab es denn keine Frauengeschichten? Hat er nichts veröffentlicht?

Über die Frauengeschichten - über das sexulle Leben Kants wird noch zu reden sein - seine wissenschaftlichen Veröffentlichungen kommen erst später.

Immerhin ist schon zu fragen: Was hat die Frau des Grafen Kayserling, die gebildete Reichsgräfin Charlotte Amalie dazu veranlasst den jungen Kant mit der feineren Lebensart vertraut zu machen und ihn sogar eigenhändig zu portraitieren. War sie in den jungen Kant, der gerade um die 30 Jahre alt war, verliebt? Hatte sie genug von ihrem Ehemann und suchte etwas Abwechslung? Wir wissen es nicht.

Kant hat seine eigene Tätigkeit nachträglich sehr kritisch beurteilt: er sei als Pädagoge nicht sehr glücklich gewesen und es gebe wohl kaum jemals einen schlechteren Hofmeister mit besseren Grundsätzen. Die Achtung der Familien hatte Kant aber dennoch gewonnen.

Bevor wir mit Kants Leben weiterfahren bietet es sich an, einen kleinen Ausflug zu machen.

Es stellt sich die Frage, wie es sonst mit Kant und den Frauen aussah.

Wir machen also einen Exkurs und fragen nach dem sexuellen Leben des Immanuel Kant.

Exkurs: Das sexuelle Leben des Immanuel Kant

Eigentlich gäbe es hier nichts zu berichten.  Kant war unverheiratet! Er blieb es! War Kant homosexuell? Dafür spräche die drei folgenden Tatsachen:

1. Wir wissen heute, daß gerade homosexuelle Männer sich häufig recht gut kleiden, sorgsam auf ein gepflegtes Äußeres achten und oft sehr kultiviert sind. Das trifft auf Kant in höchtem Maße zu.

Kant befolgte den Grundsatz: Man muß lieber ein Narr in der Mode, als außer der Mode sein. Allerding hatte er ein klares Motiv: er wollte seinen Mitbürgern nicht Anlass zum Ärgernis geben. Also: nichts extravagantes tragen, aber dennoch der Mode folgen.

Kant trug eine kleine weißgepuderte Perücke eine schwarze Halsbinde einen Rock aus schwarzer, brauner oder gelbmelierter Seide, Hosen in gleicher Farbe, graue Strümpfe und Schuhe mit silbernen Schnallen.

2. Lampe: Kant leistete sich Personal, lebte aber nicht aufwendig. Er hatte eine Köchin, und einen Diener: Lampe einen alten Soldaten, an dem er anscheindend hing. Als der nämlich sich zunehmend dem Trunk ergab, mußte Kant ihn entlassen. Kant hatte eine auf Gewohnheit basierende Neigung zu ihn gefaßt (schreibt Uwe Schulz) er konnte Lampe nicht vergessen und schrieb sich zur Erinnerung in sein Notizbuch: der Name Lampe muß nun völlig vergessen werden! Ein geistiger Salto mortale: Ich erinnere mich an das, was ich vergessen will!

3. Sein Freund und Biograph Jachmann schreibt über einen späten Besuch: Ich flog mit wehmütigem Herzen an seine Brust, ich drückte ihm meinen kindlichen Kuß auf seine Lippen...

Hier war Kant freilich schon alt. Dennoch bleibt die Frage:

War Kant also homosexuell?

An seinem Lebensabend interessierten sich schon Kants Zeitgenossen für seine Sexualität:

Eben der genannte autorisierte Biograph Jachmann schrieb einen Fragebogen für Kant, darin die Frage:

Hat nicht ein Frauenzimmer das Glück gehabt ausschließliche Liebe und Achtung auf sich zu ziehen? Kant antwortete nicht.

Interessierten sich die Frauen nicht für ihn? Immerhin war er ein genialer Denker, witzig und klug! Aber leider: Kant war zu klein. 1,57! Das war selbst für damalige Zeiten klein!

Und dennoch: es gab Marie Charlotte Jakobi. Vor der erhielt er im Alter von 38 Jahren folgenden Brief:

“Wehrter Freund Wundern Sie sich nicht daß ich mich unterfange an Ihnen als einen großen Philosophen zu schreiben? Ich glaubte sie gestern in meinen garten zu finden, da aber meine Freundin mit mir alle alleen durchgeschlichen, und wir unseren Freund unter diesem Zirckel des Himmels nicht fanden, so beschäfftigte ich mich mit der Verfertigung eines Degen Bandes, dieses ist ihnen gewidmet. Ich Mache ansprüche auf Ihre Gesällschaft Morgen Nachmittag. Ja, Ja ich werde kommen, höre ich sie sagen, nun Gutt, wir erwarten sie, dann wird auch meine Uhr aufgezogen werden, verzeihen Sie mir diese erinnerung. Meine Freundin und Ich überschicken Ihnen einen Kuß per Simpatie die Lufft wird doch woll im Kneiphoff dieselbe seyn, damit unser Kuß nicht die Simpatetische Krafft verlieret, Leben Sie Vergnügt und Wohl.”

Wir wissen nicht, ob Kant der gewitzten Marie Charlotte Jakobi seine Aufwartung gemacht hat oder ob ihn die mangelnden Kenntnisse von Stil und Orthographie der Dame schon hinreichend abgeschreckt haben. Dieselbe hat sechs Jahre später nochmal versucht, Kant in ihr Netz zu locken: Er möge sie in Berlin besuchen, wo sie sich langweilte.

Kant jedoch wäre nicht Kant, wenn er dieser Aufforderung nachkommend, Königsberg verlassen hätte und sich von seiner Heimatstadt, sage und schreibe mehr als 600 km entfernt hätte. Die weiteste Reise, die Kant je gemacht hat, führte ihn in den Herbstferien des Jahres 1765 in die Nähe der russischen Grenze, auf das Gut eines Generals Lossow, das sind - ich habe es mit einem Routenprogramm nachgeprüft - genau 137,7 km Entfernung. Nun gut, damals waren die Straßen nicht so gut ausgebaut und verlangten wohl längere Umwege. Und Kant hatte nicht den Routenplaner von Microsoft.

Kant ging der Marie Charlotte Jakobi also nicht ins Netz.

Gab es bei Kant grundsätzliche Erwägungen, etwa moralischer Art, gegen ein galantes Abenteuer? War Kant ein Misanthrop oder zynischer Einsiedler? Keineswegs! Er selbst schreibt: Der Purism des Zynikers und die Fleischestötung des Anachoreten, ohne gesellschaftliches Wohlleben, sind verzerrte Gestalten der Tugend@. Kant ist also kein Moralist, der, wie einige, Keuschheit lehrt - und selbst dem Fleische folgt. Bei Kant ist es fast umgekehrt. Es ist klar: Wer lehrt: AHandle so, als ob die Maxime deiner Handlung durch deinen Willen zum allgemeinen Naturgesetze werden sollte.@ kann nicht gut allgemeine Enthaltsamkeit in sexuellen Fragen fordern. Dann dürfte sich die Menschheit ja nicht mehr vermehren. Kant ist kein Manichäer. Freilich, in diesem Punkte folgt Kant nicht ganz seinen eigenen Grundsätzen: er selbst vermehrt sich nicht. Marie Charlotte und später noch ein weiteres Frauenzimmer bleiben unerhört.

Mit ein wenig Ernst dürfen wir aber dennoch sagen: Kant war kein Weiberfeind, er hielt die Ehe durchaus für nützlich, vor allem wenn sie aus finanziellen Rücksichten geschlossen wurde. Kant konnte sich mit Frauen lebhaft und geistreich über Kochkunst unterhalten, ja zweimal soll er sogar den ernsthaften Vorsatz gefasst haben, würdige Frauenzimmer zu ehelichen - allein er zögerte zu lang: wer zu spät kommt den bestraft das Leben.

Kants Äußeres

Nun, ich hatte schon eine weitere Vermutung ausgesprochen, warum Kant unverheiratet blieb:

Kants Gestalt kann nicht anders als klein bezeichnet werden, kaum 157 Zentimeter groß, wie Jachmann berichtet.

Der Knochenbau war nicht sehr stark, die Muskulatur wenig ausgebildet (vielleicht hätte er mal ins örtliche Fitneßstudio gehen sollen) , so daß Kant genötigt war, seine Kleider durch künstliche Mittel zu befestigen, weil sie unmittelbar an seinem Körper keinen Halt fanden. Die Brust war eingefallen, so daß er bisweilen über Mangel an Luftzufuhr klagte. Der rechte Schulterknochen trat hinten etwas hervor, nicht sehr stark, aber doch in dem Maße sichtbar, daß nicht mehr von einer gleichen Höhe der Schultern gegprochen werden kann. Seine Nerven waren anfällig und seine Sensibilität so groß, daß schon ein frischgedrucktes, noch feuchtes Zeitungsblatt ihm einen Schnupfen verursachte. Seine Augen liegen ihn nicht im Stich, auch wenn sie nicht fähig waren, entfernte Gegenstände zu erkennen; aus der Nähe nahmen sie alles scharf wahr, so daß Kant bis ins hohe Alter keine Brille benötigte.

Sein Kopf, nicht übernatürlich groß, mußte zumindest im Verhältnis zu seinem kleineren Körper als groß erscheinen. Sein Gesicht wird - von den Zeitgenossen - als von angenehmer Bildung geschildert, so angenehm, daß ihm zumindest nicht abgesprochen werden kann, in seiner Jugend sogar hübsch gewesen zu sein.

Seine Haarfarbe war blond, die Farbe seiner Augen blau, und selbst im Alter zeigte sein Gesicht noch eine frische gesunde Röte. Vor allem die Augen sind es gewesen, die andere in den Bann seiner Persönlichkeit zogen, etwa nach dem Zeugnis Jachmanns: *Kants Auge war wie vom himmlischen Äther gebildet, aus welchem der tiefe Geistesblick, dessen Feuerstrahl durch ein leichtes Gewölk etwas gedämpft wurde, sichtbar hervorleuchtete. Es ist unmöglich, den bezaubernden Anblick und mein Gefühl dabei zu beschreiben, wenn Kant mir gegenüber saß, seine Augen nach unten gerichtet, sie dann plötzlich in die Höhe hob und mich ansah. Mir war dann immer, als wenn ich durch dieses blaue ätherische Feuer in Minervens inneres Heiligtum blickte.+

Den schwächlichen Körper unterwarf Kant seiner Beobachtungs- und Willenskraft; nachdem er eingesehen hatte, daß gewisse Beschwerden durch seine Konstitution bedingt waren und es keinerlei Heilmethoden gab, Abhilfe zu schaffen, behandelte er seine Leiden psychologisch, indem er sie als zu seiner Person gehörig betrachtete, aufmerksam studierte und doch zugleich psychisch verdrängte, wenn es darum ging, seine gesammelte Aufmerksamkeit der Arbeit zuzuwenden.

So schrieb Kant einen Aufsatz: Von der Macht des Gemüts, durch den bloßen Vorsatz seiner krankhaften Gefühle Meister zu sein. Nichts hätte in seinem Fall nähergelegen, als der Hypochondrie zu verfallen, da er wegen seiner flachen und nicht sehr ausgedehnten Brust regelmäßig unter Herzbeklemmungen litt.

Um seinen Körper keiner unnötigen Strapaze auszusetzen, überzog er sein Leben mit einem Koordinatenkreuz von Gesundheitsregeln, denen er sich willig fügte. Ein sorgfältig berechnetes System bestimmte die Diät der Mahlzeiten, auf Jahrzehnte lag die Dauer seines Schlafes fest, sogar die Art seines Nachtlagers und die Methode, nach der er sich zudeckte. Selbst seine Spaziergänge machte er allein, nicht um in seinen Gedanken von anderen ungestört zu bleiben, sondern um sich nicht rheumatischen Aff ektionen auszusetzen, wenn er zum Sprechen den Mund öffnete. Unangenehm war es ihm, einem Bekannten zu begegnen, der ihn beim Spaziergang begleitete, da hierdurch die Gefahr entstand, daß er seinen üblichen Schritt beschleunigen mußte und in Transpiration geriet. Um auch im Hause bisweilen zur Bewegung gezwungen zu werden, legte er sein Taschenbuch auf einen entfernteren Stuhl und verschaffte sich dadurch Bewegung.

Da er nie krank war, bestand nie die Notwendigkeit, irgendwelche Heilmittel zu nehmen, eine Gewohnheit, die er als Grundsatz streng befolgte, abgesehen von den Pillen, die ihm sein Jugendfreund, der Arzt Johann Gottlieb Trummer, verschrieben hatte und die er über Jahrzehnte hin regelmäßig einnahm. Dennoch verfolgte er die wissenschaftliche Entwicklung der Heilkunde und Medizin genau, nicht nur aus wissenschaftlichem Interesse, sondern um stets seinen Körper unter Kontrolle zu haben. Die Gesundheitsregeln, denen er sich unterwarf, waren vielfach und zahlreich, stets aber sinnvoll auf die Schwäche seines Körpers berechnet und daher auch erfolgreich.

Kehren wir zurück zur Vita des Philosophen

Privatdozent

Kant wollte wieder an die Universität. Er wollte lehren. Also promovierte er mit einer Abhandlung “Über das Feuer” (nätürlich in Latein). Dann veröffentlichte er eine zweite Schrift über “Die Grundprinzipien der metaphysischen Erkenntnis” und wurde Privatdozent: Man kann jetzt schon sehen, wohin Kants philosophisches Intersse ging. Seine Frage war: Welches sind die Bedingungen menschlicher Erkenntnis.

Was ist Metaphysik?

Das Anliegen Kants

Wer das wunderschöne Bild des Münchner Malers Carl Spitzweg “Der Bücherwurm” kennt, sei eingeladen, dem Bücherwurm einmal über die Schultern zu blicken. Welches Buch die liebenswerte, verkrümmte Gestalt auf der kleinen Leiter gerade liest, können wir nicht ausmachen; schauen wir aber jetzt etwas genauer auf die Spitze des Bücherregals, entdecken wir ein halbrundes Schild mit der Aufschrift >Metaphysik<.

Nicht nur Spitzwegs Bücherwurm, sondern auch Kants Interesse galt der Metaphysik. Damit ist sein Anliegen bereits vorläufig umschrieben.

Metaphysik - das Wort hat wohl jeder schon gehört, aber was bedeutet es?

Was ist Metaphysik?

Ein recht wenig bekannter Mann namens Andronikos von Rhodos hat etwa 70 Jahre vor unserer Zeitrechnung die wiedergefundenen Werke des großen Philosophen Aristoteles, nachdem sie lange Zeit als verschollen galten, in einer bestimmten Reihenfolge angeordnet. Diese Anordnung sah so aus, daß zuerst die philosophischen Bücher über die Natur (griech.: physis, Adj. physikos) kamen und danach (griech.: meta nach) die philosophischen Bücher, die über die Natur noch hinausgingen und die ersten Prinzipien des Seienden untersuchten. Da sie also “nach” den naturphilosophischen Büchern kamen, nannte man sie von nun an meta ta physika, Metaphysik.

Ob das wirklich so stimmt, wissen wir nicht genau; zumindest hat es sich danach ergeben, daß man mit “Metaphysik” die Wissenschaft bezeichnet, die über die Natur hinausgeht.

Metaphysik ist schlichtweg die klassische Grundform der abendländischen Philosophie. Wir befragen einmal ein Lexikon. Bevor wir es aber aufschlagen, müssen wir uns klar sein, daß die Definition, die wir dort finden, noch nicht die Definition Kants ist. Das Lexikon gibt uns etwa folgende Auskunft-.

Der Metaphysik geht es um das Wissen vom

Seienden in der Seiendheit, indem sie nach dem

Grund für Seiendes, Wesen, Denken und Erkennen fragt.

Wir brauchen nicht gleich zu erschrecken, sondern wollen uns fragen, was wir uns darunter vorstellen können.

Wir gehen einmal in Gedanken ganz früh im Wald spazieren und machen ein paar Beobachtungen: Langsam schiebt sich der riesige Ball der Sonne über den Horizont, Sonnenstrahlen brechen sich durch die Äste der Bäume, einige Vögel singen, die Nebelschwaden verflüchtigen sich.

Alle diese Dinge “sind”; und alles, was “ist”, nennen wir “Seiendes”.

Dies alles gilt nicht nur für Naturbeobachtungen, sondern auch für die alltäglichen Dinge des Lebens. Um uns herum finden wir vielerlei vor, Nützliches, Erfreuliches, Störendes ... Auch dies “ist”, (nützlich, erfreulich ... ).

Zu dem allen, dem Seienden in Natur und Alltag, verhalten wir uns. Vor allem: Wir denken darüber nach, denn mit der Beobachtung dieses Seienden hat sich aber der Mensch, seit er denken kann, nicht zufriedengegeben. Er will quasi dieses Selende in seiner Vielzahl +überschreiten*, indem er fragt, ob dem Seienden in seiner Vielfalt auch ein +Sein* zukommt. Somit fragt die Metaphysik nach dem Sein als dem Grund für das Seiende.

Wer damit Schwierigkeiten hat, nach einem Sein des Seienden zu fragen, soll das Wort “Sein” vorerst einmal durch +Sinn* ersetzen, er kommt dem Problem damit etwas näher. Denn wenn ein Seiendes wie das Singen der Vögel oder das Wegziehen des Nebels einen Sinn hat, dann steckt hinter diesem Selenden das “Sein” eines Sinnes.

Diesen Gedanken können wir auch auf das Denken und Erkennen des Menschen übertragen, der im Walde die oben geschilderten Beobachtungen gemacht hat.

Ohne einen letzten Gedanken dazu kommen wir aber nicht aus. Daß hinter den Vorgängen der Natur gewisse Gesetzmäßigkeiten stecken, leuchtet jedem ein. Wir nennen diese Gesetzmäßigkeiten physikalische Gesetze: der Bach fließt abwärts, das Blatt fällt nicht nach oben, sondern nach unten ... Gibt es solche Gesetzmäßigkeiten außer in der Natur auch in dem Sein im weiteren Sinn? Das ist die entscheidende Frage, um die es in der Metaphysik geht:

Steckt nicht nur hinter dem Seienden, sondern

auch hinter dem Sein, Denken und Erkennen

des Seienden eine Gesetzmäßigkeit, ein innerer Zusammenhang?

Wenn ja, müßten wir auch wissenschaftliche Antworten darauf geben können. Die ionischen Naturphilosophen beantworteten diese Frage mit dem Hinweis auf bestimmte Naturelemente wie Feuer oder Wasser als Grundlage für jedes Sein in der Welt. Der Grieche Plato sah die Antwort in der Welt der Ideen, während die christliche Metaphysik als Antwort Gott nannte, der hinter und über dem Sein steht.

Die Verschiedenheit der Antworten war der Grund, warum sich auch für Kant die Frage nach der Metaphysik, und vor allem nach deren Wissenschaftlichkeit, stellte. Kein Mensch kann diese Frage aus dem Stand heraus beantworten; auch ein Denker wie Kant wird nicht darum herumkommen, die philosophischen Antworten seiner Zeit, von denen er stark geprägt war, zu berücksichtigen und von ihnen auszugehen.

Zurück zum Leben Kants

Also Kant ist nun Privatdozent!

Das war noch keine ordentliche Professur, Kant mußte von Vorlesungsgeldern leben. Es ist erstaunlich, welche Bandbreite an Fächern Kant unterrichtete: Mathematik, Naturlehre, Anthropologie, physische Geographie, Logik, Metaphysik (sein späteres Spezialgebiet) Pädagogik ja sogar. Fortifikation und Pyrotechnik:

Kant hielt bis zu 20 Vorlesungsstunden pro Woche, aber ein geregeltes Einkommen war das noch nicht.

Seine Vorlesungen hatten aber einen ausgezeichneten Ruf. Kant wußte von fremden Ländern so bildreich zu erzählen, als hätte er sie selbst besucht. Dabei ist er doch nie weiter als 137,7 km von Königsberg weggekommen.

Es war damals Sitte, bei Vorlesungen vorzulesen. Aus anderen Werken! Kant aber benutzte die Werke anderer Autoren nur als Hilfsmittel für seine eigenen Ausführungen, die dadurch sehr lebendig wurden. Ein paar Notizen reichten ihm als Konzept dafür aus. Kant hatte immer passende Beispiele und Anekdoten - sein Vortragsstil war etwas neues und erfreute sich großer Beliebtheit.

Inzwischen bemühte sich Kant immer wieder eine ordentliche Professorenstelle zu bekommen, aber es klappte nicht so recht Er war schon vierzig Jahre alt, als man ihm erstmals eine Professur für Dichtkunst anbot. (Fächer nicht scharf getrennt)

Da hätte Kant dann auch Gelegenheitsgedichte für das öffentliche Leben , z.B. für den Geburtstag des Königs usw. verfassen müssen. Kant lehnte ab.

Immerhin bot man ihm ein Jahr später die Stelle eines Unterbibliothekars an der königlichen Schloßbibliothek an. Keine glänzende Stelle, aber für Kant das erste sichere Einkommen. Stellen wir uns vor: Kant ist 42 und hat erst jetzt die erste feste Stelle!! Was sollte aus ihm noch werden?

Kant hätte die Professur für Dichtkunst sicher auch ausfüllen können. Er war talentiert genug und vielseitig - keinesfalls ein Fachidiot. Aber sein Herz hing doch an der Metaphysik.

Und an Königsberg! Zwei Universitäten, die von Erlangen und die von Jena wollten Kant einstellen. Kant blieb in Königsberg! Fast hätt er schon für Erlangen zugesagt, da bot sich ihm eine Chance in Königsberg. Im Jahr 1770 (Kant ist 46 Jahre alt!) wurde ein Lehrstuhl für Mathematik frei! Den bekam nun der Professor, der bisher Logik und Metaphysik lehrte. Kant bekam nun dessen Lehrstuhl für seine geliebten Fächer.

Nocheinmal mußte er eine wissenschaftliche Abhandlung schreiben! “Über Form und Prinzipien der sinnlichen und intelligiblen Welt” Aber er hatte es geschafft!

1770. Endlich ist Kant ordentlicher Professor! Jetzt kann er sein Fach unterrichten! Man sollte meinen, jetzt entstünden seine wichtigsten Werke, jetzt hätte er die Kritik der reinen Vernunft, die Kritik der praktischen Vernunft, die Metaphysik der Sitten geschrieben. Nichts davon:

Kant schweigt. Kant schweigt. Keine Veröffentlichung! Man könnte meinen, er habe nun sein Karriereziel erreicht und sei nun faul geworden. Doch man erwartete noch etwas von ihm. Man war von Kant enttäuscht.

“Sind Sie denn der Welt gestorben? Warum schreiben so viele, die nicht schreiben können, und Sie nicht, die sie es so vertrefflich können? Warum schweigen Sie - bei dieser Zeit, dieser neuen Zeit - geben keinen Ton von sich? Schlafen? Kant - nein, ich will Sie nicht loben - aber sagen Sie mir doch, warum Sie schweigen? Oder vielmehr: sagen Sie mir, daß Sie reden wollen.!”

Kant schwieg jedoch weiter, insgesamt 11 Jahre lang. Er tat seine Arbeit als Lehrer, veröffentlichte aber nichts. Was machte er?

Kant arbeitete an seinem Erkenntnistheoretischen Grundwerk, dem er zunächst den Titel : “die Grenzen der sinnlichkeit und der Vernunft” Die Arbeit jedoch wollte nicht so recht fortschreiten, weitete sich vielmehr immer weiter aus.

Immer wieder hofft er endlich fertig zu werden. An seinen Freund Markus Hertz schreibt er schon 1774 einen Brief und vertröstet ihn auf Ostern. 1776 will er endlich fertig werden, 1778 will er endlich fertig werden. Am ersten Mai 1781 schließlich schreibt er seinem Freund: Diese Ostermesse wir ein Buch von mir unter dem Titel :Kritik der reinen Vernunft, herauskommen.

Das Buch erscheint, und Kant erwartet mit Spannung das Echo auf sein epochemachendes Werk.

Das jedoch bleibt völlig aus. Kant ist ein wenig enttäuscht. Seine Zeitgenossen haben das Werk noch nicht verstanden. 2 Jahre später erscheint ein kleines Bändchen, welches das große erklären soll. Eine Art “Vorwort” : Die Prologomena zu einer jeden zukünftigen Metaphysik

Alle wichtigen weiteren Werke, entstehen in der Folge dieses ersten monumentalen großen Werkes, das die Philosophie und Denkgeschichte verändert hat, wie noch zu zeigen sein wird.

Kant ist 57 Jahre alt . Sein bedeutenstes Werk hat er hinter sich, weitere bedeutende Werke folgen . Kant kommt spät, aber er kommt nun ganz groß raus.

Statt Ihnen nun eine Liste der Werke Kants vorzustellen, möchte ich lieber abschließend ein Wort des Philosophen Karl Jaspers zitieren:

“ Kant hat durch sein Werk einen Schritt im Philosophieren getan, der weltgeschichtliche Bedeutung hat. Vielleicht ist seit Plato nichts geschehen, was in der herben Luft des Denkens und aus ihr wirkend so weitreichende Folgen haben müßte, nicht im Raum der Technik und Naturbeherrschung, sondern im Inneren des Menschen für seine Denkungsart, sein Seinsbewußtsein, seine Ideen, seine Antriebe und seinen guten Willen ...”

“Kant ist ein Träger der Humanität der Aufklärung. Er ist nicht nur der große Kopf, sondern der wahrhaftige Mensch. Sein Ethos kennt nicht übersteigerte Handlungen, in denen Moral unwahrhaftig konstruiert oder pathetisch demonstriert wird, um dann sich im eigensüchtigen Alltag zu verstecken. Sein Ethos ist das Ethos gerade des Alltags und jeden Augenblicks. Ihn brauchen wir nicht als ein Fremdes zu bewundern. Mit ihm können wir leben. Ihm möchten wir folgen.”

Ich hoffe, daß Sie heute abend meinem kleinen Einblick in das Leben Immanuel Kants folgen konnten.

Ich persönlich, werde ihm noch ein wenig weiter folgen und versuchen, auch sein philosophisches Denken, wenigstens ansatzweise zu klären, für mich - und wenn Sie wollen in ein paar Wochen auch für Sie!

Überspringen wir einige Jahre und kommen zum Tod des Meisters. 1803. Kant, der nie wirklich krank war, wird immer schwächer. Es ist nicht eigentlich eine bestimmte Krankheit, die Kant das Ende bereitete, vielmehr wurde Kant immer schwächer, seine Erinnerung ließ nach, auf einem Auge erblindete er, schließlich erkannte er Freunde nicht mehr.

So schreibt sein Freund und Biograph Jachmann über einen späten Besuch: “Ich flog mit wehmütigem Herzen an seine Brust, ich drückte ihm meinen kindlichen Kuß auf seine Lippen, ich bekannte ihm meine Freude, ihn wiederzusehen und er - er blickte mich mit matten forschenden Augen an und fragte mich mit einer freundlichen Miene, wer ich wäre. Mein Kant kannte mich nicht mehr”

Am 12. Februar 1804 starb Kant mit den Worten: Es ist gut!

Zur Literatur:

Der vorliegende Text war ursprünglich nicht zur Veröffentlichung bestimmt sondern für einen Vortrag im Kant-Gymnasium Boppard. Erst danach wurde die Bitte an mich herangetragen, den Vortrag auch ins Netz zu stellen. Dementsprechend habe ich nicht durchgängig nach wissenschaftlichen Kriterien zitiert. Im Nachhinein schien es mir zu aufwändig, alle zitierten Stellen herauszusuchen. Ich weise aber ausdrücklich auf die von mir verwendete Literatur hin, aus der ich z.T. auch dann wörtlich zitiert habe, wenn dies nicht durch Anführungszeichen gekennzeichnet ist.

Verzeichnis der verwendeten Literatur:

Schulz, Uwe: Immanuel Kant, Hamburg (rororo) 241999.

Botul, Jean-Babtiste: Das sexuelle Leben des Immanuel Kant, Leipzig 2001.

Schlüter, Wolfgang: Immanuel Kant, München 1999.

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